Überforderungen und Unterforderungen sind eher psychologische als organisatorische Angelegenheiten. Manche Personen benötigen erheblichen Druck, um endlich in Fahrt zu kommen, während andere beim leisesten Gegenwind bereits mit hysterischem Stress reagieren. Hier ist die Rede von höchstpersönlichen Wesensmerkmalen. Niemand braucht seine Persönlichkeit zu ändern oder zurechtzubiegen, nur damit die Projektarbeit für andere bequemer erscheint. Im Gegenteil: Es sind gerade die Situationen der Über- und Unterforderungen, in welchen sie Persönlichkeiten mit all ihren Facetten sichtbar werden. Es ist eine der menschlichsten Herausforderungen des Projektmanagements, mit diesen facettenreichen Persönlichkeiten die Projektziele zu verwirklichen.
In Projekten können aber auch andere moralische und ethische Prinzipien vorherrschen.
Es können Über- und Unterforderungen des Projektpersonals zum Zwecke des "Tests der Belastbarkeit" vorgesehen sein. Oder es werden Verhaltensmuster des Umgangs mit Stress, Widerstand, Druck, widersprüchlichen Anweisungen, körperlichen oder geistigen Grenzen, Selbst- und Fremdachtung, Respekt und anderes mehr geübt und verbessert. Andere geplanten Über- und Unterforderungen können dem Ziel dienen, die Personen zu Fehlverhalten zu führen, das anschließend für längst geplante Personalmaßnahmen (Kündigung, Versetzungen, Gehaltskürzungen) die notwendigen arbeitsrechtlichen Begründungen liefert.
Es kann sich auch eine Person den vorhersehbaren Über- und Unterforderungen vorsätzlich aussetzen wollen, um mehr über sich zu erfahren.
Wie auch immer: die vorsätzliche Planung bzw. Duldung und Aufrechterhaltung von Über- und Unterforderungen hat mit professionellem Projektmanagement nichts zu tun. Das Risiko, dass das Projektmanagement als Arbeits- und Führungsform den Ruf und den Namen verlieren, ist zu groß. Der Preis der Personen und der Organisation ist meist durch nichts zu rechtfertigen. Der Schaden durch die sich multiplizierende Meinung, dass Projekte erst dann "richtige" Projekte seien, wenn man seine eigenen Grenzen erfahren würde, verhöhnt alle, die ihre Projekte mit der notwendigen Ruhe, Gelassenheit und Sorgfalt und jenseits allen sensationsgierigen Über- und Unterforderungen erfolgreich führen.
Die Teilnehmenden erarbeiten die Anzeichen von Projekten und im Projektmanagement, die vermuten lassen, dass die Projektarbeit zu persönlichen oder organisationalen Personal- oder Persönlichkeitsspielchen missbraucht wird. Sie erarbeiten auch, wo tatsächliche Über- und Unterforderungen projektbedingt wahrscheinlich sind und entwickeln gegebenenfalls angemessene Maßnahmen.
Praxisfälle der Teilnehmer können konkret bearbeitet werden.
(auszugsweise):
Anzeichen für Verhalten, das auf Erleben von nicht projektbedingten Unterforderungen oder Überforderungen beruht
Angebereien
"Professionelles Leiden" (Genussvolles Erzählen über das
Leiden ohne jegliche Anzeichen, irgendetwas verändern zu
wollen)
Rückdelegationen wo immer es geht
Sicherung von Publikum, das sich von der Unterforderung oder
Überforderung selbst überzeugen kann
Angst, Rückversicherungen
Entscheidungsvermeidung, Vermeidung der Verantwortung für
Entscheidungen oder Gleichgültigkeit für die Folgen der
Entscheidung
Nichts aus der Hand geben
Sich immer möglichst viele Optionen offen halten
Entscheidungsverschleppungen
Anzeichen für Verhalten, das auf tabuisiertes Erleben von projektbedingten Unterforderungen und Überforderungen beruht
Flucht, Vereinsamung, Rückzug
"geistige" Abwesenheit
Veränderungen im Umgang (Sarkasmus, böse Witze, Abwesenheit
von Fröhlichkeit und Lachen)
Arbeit mit nach Hause nehmen
Tabletten, Drogen, heimlicher Alkoholkonsum, Aufputschmittel
Entschuldigungen, Entschuldigungen, Entschuldigungen, auch
für das, wofür man gar nicht verantwortlich sein kann
Vermeidung von Rückdelegationen
Nicht Nein-Sagen können
Vermeiden, Hilfe zu erbitten, Hilfe zu suchen
Strukturierung der Hinweise und Beobachtungen auf
vermutlichen Themenfelder
Strukturierung der Hinweise und Beobachtungen bezüglich
vermutlicher Schlüsselpersonen
bei der Projektbeauftragung
im Projektmanagement
bei den Mitarbeitenden und Partnern
Ermittlung der Rollen, Funktionen, Aufgaben, Kompetenzen und
Verantwortungen für das Projekt und das Projektmanagement
Planung des Vorgehens, um die verantwortlichen Personen auf den
Führungsbedarf, den Handlungsbedarf und/oder Entscheidungsbedarf
aufmerksam zu machen
Konsequenzen für das Projektmanagement
Konsequenzen für den Auftrag für das Projektmanagement
Konsequenzen für den Projektauftrag
Konsequenzen für die Führungsorganisation
Referenz und weitere Orientierungen:
Wo erhalte ich Beratung und Unterstützung?